Erinnerungsorte an den Zweiten Weltkrieg in Deutschland und in Polen
Mit der Vorstellung von Erinnerungsorten an die Opfer der NS-Herrschaft und des Zweiten Weltkriegs im Rahmen einer Datenbank, die regelmäßig ergänzt und aktualisiert wird, will das Deutsch-Polnische Jugendwerk (DPJW) einen Überblick über die heutige „Gedächtnislandschaft“ in beiden Ländern bieten. Die Idee dazu ist im Rahmen der vom DPJW herausgegebenen Publikation „Deutschland, Polen und der Zweite Weltkrieg. Geschichte und Erinnerung“ entstanden. All denjenigen, die etwa einen Gedenkstättenbesuch im Rahmen einer deutsch-polnischen Jugendbegegnung vorbereiten oder aber den Zweiten Weltkrieg im weitesten Sinne als Thema bzw. Teilaspekt für eine Begegnung ins Auge gefasst haben, soll damit die Planung erleichtert und die Auswahl in Frage kommender Orte ermöglicht werden.
Im Folgenden soll kurz die Zusammenstellung der Erinnerungsorte und die mit einem solchen Projekt verbundenen Probleme eingegangen werden.
Berücksichtigt wurden entsprechend dem Tätigkeitsfeld des DPJW Erinnerungsorte und Gedenkstätten, die sich in den heutigen Grenzen der Bundesrepublik und Polens befinden. Uns ist bewusst, dass damit zum Einen etwa große Gedenkstätten wie die ehemaligen Konzentrationslager Natzweiler-Struthof www.struthof.fr in Frankreich und Mauthausen-Gusen www.mauthausen-memorial.at in Österreich, wo ebenfalls zahlreiche Häftlinge polnischer, aber auch deutscher Nationalität ums Leben kamen, nicht in die Beschreibung einbezogen werden konnten. Gleiches trifft auf das Ghetto Theresienstadt www.ghetto-theresienstadt.info zu, das in Tschechien liegt. Zum Anderen schließt diese geographische Festlegung Erinnerungsorte aus, die sich auf Grund der Verschiebung der polnischen Staatsgrenzen von Ost nach West heute in Litauen, der Ukraine oder in Belarus befinden, aber trotzdem für die polnische kollektive Erinnerung von großer Bedeutung sind. Diese Einschränkung war jedoch notwendig, um den Rahmen des Projekts nicht zu sprengen, was eine spätere Erweiterung nicht ausschließt.
Unsere Auswahl, die naturgemäß nicht vollständig sein kann, umfasst sowohl kleine, relativ unbekannte Erinnerungsorte, an denen heute oft nur eine bescheidene Gedenktafel oder ein kleines Denkmal an die dort begangenen monströsen Verbrechen erinnert, als auch große Gedenkstätten mit umfassenden pädagogischen Angeboten.
Insbesondere die präsentierten polnischen Erinnerungsorte haben einen vielgestaltigen Charakter. Hier galt es Orte zu berücksichtigen, die das Gedenken an:
- die gefallenen polnischen Soldaten zwischen 1939 und 1944/45,
- die Opfer von Verbrechen der Nationalsozialisten gegenüber der Zivilbevölkerung,
- die Ermordung der europäischen Juden in deutschen Vernichtungslagern und Ghettos auf polnischem Boden,
- die polnischen Widerstandsbewegungen unterschiedlichster politischer Ausrichtung gegen deutsche und sowjetische Besatzer,
- die Opfer nationalistischer Auseinandersetzungen während der Besatzungszeit,
- die nichtpolnischen Opfer auf ehemaligem deutschen Gebiet sowie
- die Opfer von Verbrechen aus der unmittelbaren Nachkriegszeit
wach zu halten versuchen.
Einbezogen wurden zudem einzelne Friedhöfe und Ehrenmale für gefallene sowjetische Soldaten und sowjetische Kriegsgefangene, deren Massensterben heute häufig vergessen ist.
Die einzelnen Texte schildern meist die an den jeweiligen Orten begangenen Verbrechen bzw. den Verlauf von Schlachten, beschreiben dann die Formen des Gedenkens (Museum, Ausstellung, Denkmal, Gedenktafeln etc.) und liefern abschließend Hinweise zu Öffnungszeiten, Anfahrt, Informationsmöglichkeiten im Internet sowie pädagogischen Angeboten, sofern vorhanden.
Die Formen und Schwerpunkte des Erinnerns waren und sind in Polen wie in Deutschland im Laufe der Jahre Veränderungen unterworfen. In vielen Beschreibungen wird daher deutlich, wie schwierig es einerseits ist, aller Opfergruppen angemessen und frei von Ideologie zu gedenken. Zumal dann, wenn etwa einzelne Lager ihre Funktion schon während des Krieges mehrfach veränderten oder etwa nach der deutschen Niederlage von den nunmehr kommunistischen Machthabern mit neuen Häftlingen gefüllt wurden.
In Polen muss zudem weit stärker als in Deutschland zwischen den unterschiedlichen Entstehungsphasen der Gedenkstätten unterschieden werden, die starken Einfluss auf die Gestaltung der Erinnerungsorte hatten und haben. Zu nennen sind hier 1. die Phase der „lebendigen Erinnerung“ 1944-1948, 2. die stalinistische Phase 1949-1955, in der etwa die Opfer des bürgerlichen Widerstands (Heimatarmee) konsequent ignoriert wurden, 3. die Phase einer vorsichtigen Ausweitung der Erinnerung auf bisher unliebsame Opfergruppen 1956-1989 und 4. einer intensiven, aber auch kontroversen Neugestaltung der „Gedenkstättenlandschaft“ nach 1989.
Die Diskussionen darüber, die in den Texten nur andeutungsweise berücksichtigt werden konnten, haben bis heute zu zahlreichen Veränderungen bzw. Ergänzungen von bereits bestehenden Gedenkstätten geführt. Aber auch neue, symbolische Erinnerungsorte wie das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin oder das Museum des Warschauer Aufstands sind hinzugekommen. Noch in Planung befinden sich etwa das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig, aber auch das heftig umstrittene Erinnerungs- und Dokumentationszentrum zu Flucht und Vertreibung (Sichtbares Zeichen) in Berlin.
Andererseits wird in den Darstellungen auch deutlich, welchen finanziellen, personellen und pädagogischen Aufwand es erfordert, die bestehenden Erinnerungsorte zu erhalten und angemessen zu betreuen.
Die NS-Herrschaft und der Zweite Weltkrieg sowie die unterschiedlichen, häufig kontroversen Formen der Erinnerung daran stellen bis heute einen zentralen Punkt in den deutsch-polnischen Beziehungen dar. Anliegen des DPJW ist es deshalb, mit der Vorstellung von Erinnerungsorten und Gedenkstätten zur Beschäftigung mit diesem Thema im Rahmen von deutsch-polnischen Jugendbegegnungen anzuregen, aber auch die vielen kleinen, häufig unbekannten Orte des „Martyriums“ von Menschen dem Vergessen zu entreißen.
Als Motto soll uns dabei eine Strophe aus dem Gedicht von Adam Asnyk (1838-1897) An die Jungen dienen:
Ale nie depczcie przeszłości ołtarzy,
Choć macie sami doskonalsze wznieść;
Na nich się jeszcze święty ogień żarzy
I miłość ludzka stoi tam na straży,
I wy winniście im cześć!
Aber tretet nicht die Altäre der Vergangenheit mit Füßen,
Auch wenn ihr selbst vollkommenere bauen sollt;
Auf ihnen glüht noch das heilige Feuer
Die menschliche Liebe hält dort Wache,
Und ihr schuldet ihnen Ehrfurcht!
Zahlreiche Mitarbeiter von Gedenkstätten haben uns bei der Ausarbeitung der Beschreibungen mit Anregungen und Kritik geholfen. Ihnen sei herzlich gedankt!
Alle, die diese Seiten nutzen, möchten wir herzlich bitten, uns Korrekturen, Ergänzungen und Veränderungen mitzuteilen, damit wir die Seiten aktualisieren bzw. ausbauen können.
Matthias Barelkowski/Christoph Kreutzmüller