Erinnerungsorte an den Zweiten Weltkrieg in Deutschland und in Polen
Herzlich wilkommen auf der Webseite „Erinnerungsorte an den Zweiten Weltkrieg“
des Deutsch-Polnischen Jugendwerkes (DPJW).
Wir laden Sie herzlich ein, die Datenbank zu nutzen!
Jaworzno – Lager „Neu-Dachs“
alles anzeigen
Vom 15. Juni 1943 bis zum 17. Januar 1945 befand sich in Jaworzno ein Nebenlager von Auschwitz, genannt „Neu-Dachs”. Es war eines der Nebenlager, die man in der Nähe von Fabriken errichtet hatte. Es wurde in der Nähe des Bergwerks „Dachs“ (vor dem Krieg „Jan Kanty“) in Jaworzno angelegt, an der Kreuzung der Straße Jaworzno–Katowice (Kattowitz) und der Straße nach Wysoki Brzeg (Brieg). Etwa 80 Prozent der Häftlinge waren Juden aus verschiedenen Ländern Europas (Griechenland, Polen, Jugoslawien, Tschechoslowakei, Frankreich und Deutschland). Eine weiterer großer Teil waren Polen. Sie arbeiteten am Bau und Ausbau des Lagers, aber auch am Bau von neuen Bergwerken, Elektrizitätswerken, Eisenbahnstrecken oder unter Tage beim Abbau von Steinkohle. Wer die Zwangsarbeit nicht verrichten konnte, wurde in den Gaskammern von Auschwitz-Birkenau getötet. Am 17. Januar 1945 wurden die Häftlinge zuerst in ein Nebenlager in Blachownia Śląska (Blachstadt) getrieben, dann weiter in das KZ Groß-Rosen und vier Tage später nach Buchenwald. Dies war einer der längsten und blutigsten Todesmärsche, auf dem SS-Männer mehrere hundert Häftlinge erschossen. Im Lager blieben etwa 400 kranke Häftlinge zurück, die am 19. Januar 1945 von den sowjetischen Truppen befreit wurden.
Auf dem Gelände des deutschen Lagers richtete der kommunistische Sicherheitsapparat nach dem Krieg zunächst das Zentrale Arbeitslager (AZL) in Jaworzno (1945-1950) ein, danach wurde es zu einem Jugendgefängnis für politische Häftlinge (1951 – 1955). Das AZL war das größte stalinistische Lager in Polen. Man sperrte dort u. a. Polen ein, Schlesier, „Volksdeutsche“, deutsche Kriegsgefangene, Ukrainer und Lemken (Angehörige eines ruthenischen Volksstamms aus Galizien). Die Internierung erfolgte im Rahmen der Aktion „Wisła” (Weichsel) von 1947, bei der Ukrainer und Lemken aus dem südöstlichen Polen in die westlichen und nördlichen Gebiete umgesiedelt werden sollten. Die Gefangenen arbeiteten in Kasernen, in Tischler-, Schneider-, Schuster-, Schlosser- und Schmiedewerkstätten.
Jene Häftlinge, die zwar im Lager als solche geführt wurden, aber gar nicht dort waren, wurden in Bergwerken oder in der Hüttenindustrie, z. B. in Stalowa Wola (Woiwodschaft Vorderkarpaten) zur Arbeit gezwungen. Manche wurden „ausgetauscht” oder in andere Lager im ganzen Land eingewiesen, z. B. dem Lager Sikawa in Lodz.
Während der Aktion „Weichsel“ wurden in Jaworzno Personen mit Verbindung zur UPA (der Ukrainischen Aufstandsarmee, dem militärischen Arm der Organisation Ukrainischer Nationalisten im Zweiten Weltkriegs und danach) festgehalten. Jaworzno wurde zum Umsiedlungsort für die ukrainische Zivilbevölkerung (auch Lemken). Deshalb wurde auf dem Terrain des AZL ein Unterlager für Ukrainer eingerichtet. Der erste Transport ukrainischer Häftlinge aus Auschwitz erreichte das Lager am 9. Mai 1947. In den Jahren 1947-1948 wurden hier 3.873 Ukrainer untergebracht, darunter 916 Frauen und Mädchen, 107 Kinder bis 17 Jahre und 27 Geistliche der griechisch- bzw. russisch-orthodoxen Kirche (158 von ihnen starben). Am 8. Januar 1949 wurde das Lager aufgelöst.
Im Rahmen der Reorganisation des „Polnischen Gulags” wurden die aus der deutschen Besatzungszeit stammenden Baracken abgebaut und durch gemauerte Gebäude ersetzt. Es entstand eine Jugendstrafanstalt für politische Häftlinge. Jugendliche aus den schwersten Strafanstalten Polens wurden hierhin verlegt: aus Wronki (Großpolen), Rawicz (Großpolen) oder Strzelce Opolskie (Oppelner Strehlitz). Die jungen Häftlinge wurden wie im sowjetischen Strafsystem durch Arbeit „resozialisiert“. Hinzu kam die ständige, ziemlich platte ideologische Indoktrination der jungen Menschen. Während des nahenden politischen Tauwetters von 1955 wurde das Experiment der Resozialisierung unterbrochen und das Gefängnis aufgelöst. Die Erinnerung an diese schwierige Zeit hält der im freien Polen entstandene Bund der Politischen Jugendhäftlinge 1945-1955 (Związek Młodocianych Więźniów Politycznych) mit seiner Monatsschrift „Jaworzniacy” lebendig. 1991 wurde diese Schrift von der Jerzy Łojek Stiftung ausgezeichnet.
Von den Häftlingen im Lager und denen, die zwar in der Lagerkartei geführt wurden, aber oft am anderen Ende Polens arbeiteten, starben in den Jahren 1945 – 1955 mindestens 6.987 Personen. Ein Teil von ihnen ist in dem Waldgebiet zwischen den Stadtteilen Osiedle Stałe und Podłęże begraben.
Bogusław Kopka
Auf dem Denkmal für die Opfer des Arbeitslagers in Jaworzno steht geschrieben: „In den Augen der Törichten sind sie gestorben; aber sie ruhen im Frieden.“ Auf drei Tafeln steht auf Polnisch, Ukrainisch und Deutsch geschrieben: „In Erinnerung an die polnischen, ukrainischen, deutschen und alle anderen unschuldigen Opfer des kommunistischen Terrors, die im Zentralen Arbeitslager des Ministeriums für Öffentliche Sicherheit in Jaworzno in den Jahren 1945-1956 eingesperrt waren, ermordet wurden oder starben, von der Nachwelt in Ehre gehalten“.
Die Einweihung des Denkmals durch die Präsidenten Polens und der Ukraine, Aleksander Kwaśniewski und Leonid Kuczma, erfolgte am 23. Mai 1998. Des Weiteren steht am Ort der früheren Gefängnisgebäude, nicht weit von der heutigen Musikschule im Stadtteil Stałe, ein Denkmal in Form einer Granitplatte, auf der geschrieben ist: „Auf diesem Gebiet stand in den Jahren 1945 – 1956 das Jugendgefängnis für politische Häftlinge, den ‚Jaworznicy’ – Seine Freiheit kann man wiedererlangen – die Jugend nicht“.
Bogusław Kopka
Jaworzno – Lager „Neu-Dachs“
Jaworzno
http://www.obozdwochtotalitaryzmow.pl/o2t/centralny-oboz.htmlhttp://oboz.w.of.pl/podoboz.html
In dem Bereich „Multimedia“ gibt es Filme, Hörbücher, ein “oral history archive“ und eine Visualierung des Lagers (nur auf polisch verfügbar): http://obozdwochtotalitaryzmow.pl/o2t/multimedia.html
Anfahrt: Jaworzno liegt einige Kilometer östlich von Sosnowiec. Erreichbar über die A 4 oder Fernstraße 15. Zugfahrpläne auf: www.rozklad-pkp.pl.