Erinnerungsorte an den Zweiten Weltkrieg in Deutschland und in Polen
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Kortowo (Kortau) – Hospital und Denkmal
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In Kortowo, einem Stadtteil von Olsztyn, wo sich heute der kleine Universitätscampus befindet, stand ein Hospital für psychisch Kranke (1883-1886 erbaut), das zu Beginn des 20. Jh. eine der modernsten Anstalten dieser Art im Deutschen Reich war. Die Patienten kamen aus ganz Ostpreußen. In den Jahren 1941-1945 wurden Teile des Gebäudes in ein Kriegslazarett umgewandelt, in dem auch ausländische Kriegsgefangene lagen.
1933-1945 wurden an den Insassen der Anstalt Zwangssterilisationen vorgenommen, um der Fortpflanzung von genetisch Belasteten vorzubeugen, wie es ein NS-Gesetz vom 14. Juli 1933 verlangte. Ab 1939 wurde die Anstalt in das Programm der Aktion T4 einbezogen (mit diesem Kürzel waren die Massenmorde an psychisch Kranken und Behinderten gemeint, auch „Euthanasie“genannt). Die Patienten wurden jedoch nicht in Kortowo getötet, sondern in psychiatrische Anstalten in Sachsen und Brandenburg gebracht. In Kortowo kam es aber zu Fällen von „wilder Euthanasie“: die Kranken wurden durch Arzneimittel getötet, damit es aussah, als seien sie eines natürlichen Todes gestorben. Rund 100 geistig Behinderte wurden an das sogenannte Euthanasienkommando „Lange” im Lager Działdowo überwiesen. 500 Kranke „verschwanden“ im Januar 1945 bei der Evakuierung und Flucht vor der heranrückenden Front. Als die Soldaten der Roten Armee in der Nacht vom 21. auf den 22. Januar in die Vorstadt von Allenstein (Olsztyn) einmarschierten, brachten sie alle um, die sich noch auf dem Krankenhausgelände befanden: die Insassen des Kriegslazaretts, Patienten, medizinisches Personal und Flüchtlinge, die sich hierher gerettet hatten (vor allem Frauen und Kinder). Die Rotarmisten brannten die Gebäude nieder, in denen sich die noch Anwesenden versammelt hatten. Auf die Fliehenden wurde mit Gewehren geschossen oder sie wurden durch Flammenwerfer bei lebendigem Leibe verbrannt. Die Ärzte von Kortowo wurden auf dem Dachboden des Gebäudes in der heutigen Aleja Warszawska 107 (Warschauer Allee) erhängt, der Anstaltsleiter und seine Frau in ihrer Villa erschossen.
Nur ein Mensch überlebte das Massaker. Die Opfer des Verbrechens wurden in Massengräbern beerdigt. In den Jahren ab 1950 wurden auf dem Krankenhausgelände sechs Massengräber mit Patienten, Krankenschwestern, deutschen Soldaten, Zivilpersonen und Kindern entdeckt. Sie wiesen Schusswunden auf, waren erwürgt oder erstochen worden. Die Ausgrabung der Leichen 1955 wurde sehr unprofessionell ausgeführt, das Protokoll ging verloren. Aus seiner fragmentarischen Abschrift geht hervor, dass die Leichen von 227 Männern, Frauen und Kindern aus dem Massengrab geborgen wurden. Bei der letzten Exhumierung 1963 wurden 109 Skelette entdeckt, die danach auf dem katholischen Friedhof an der Al. Wojska-Polskiego bestattet wurden. Vorher waren die sterblichen Überreste der Opfer auf dem überfüllten evangelischen Friedhof in der Nähe in flachen Gräbern beigesetzt worden. Das Holz für die Särge wurde von Unbekannten als Brennmaterial benutzt, wodurch die Leichen teilweise offen lagen. Neueste Untersuchungen ergaben, dass auf dem überkonfessionellen Friedhof außerhalb von Kortowo noch die sterblichen Überreste von 400 Menschen liegen. Die Zahl der Opfer wird damit auf 4.000 geschätzt.
Ein Teil der ermordeten Patienten des Krankenhauses Kortowo liegt am Denkmal für die Opfer des Naziterrors an der ul. Baczewskiego begraben, neben dem Krankenhaus des Innenministeriums. Daneben ruhen in einem Gemeinschaftsgrab Opfer der deutschen Konzentrationslager in Ostpreußen. Es ist schwer zu sagen, ob die hier begrabenen Deutschen im Rahmen der „wilden Euthanasie“ oder von Soldaten der Roten Armee getötet wurden. Zwei auf Sockel aufgestellte Reliefs werden durch die Aufschrift „Den Opfern des Naziterrors“ vervollständigt. Aus dem Text geht hervor, dass in dem Grab 4.670 Tote liegen, die in den Lagern und Krankenhäusern in Allenstein (Olsztyn), Stare Jabłonki, Iława und Królikow erschossen wurden.
Ewa Gładkowska
1997 wurde auf Initiative der NSZZ „Solidarność“, der unabhängigen Gewerkschaft „Solidarität“, der Akademie für Technik und Ingenieurwesen und mit Unterstützung der Hochschule auf dem interkonfessionellen Friedhof ein Denkmal für die Toten von Kortowo, errichtet. Einige erhalten gebliebene Grabinschriften und Teile von Grabsteinen wurden zusammengetragen. In der Mitte befindet sich ein Obelisk mit dem Fragment eines Kreuzes mit der Aufschrift in deutscher Sprache: „Die Liebe höret nimmer auf” (1. Korinther, 13, 8). Auf der Tafel steht ein Zitat von Adam Asnyk:
„Aber tretet nicht die Altäre der Vergangenheit mit Füßen,
Auch wenn ihr vorzüglichere bauen sollt,
Auf ihnen glüht noch das heilige Feuer
Die menschliche Liebe hält dort Wache.
Und ihr schuldet ihnen Ehrfurcht.“
Ewa Gładkowska
Kortowo (Kortau) – Hospital und Denkmal
Kortowo, Olsztyn
Stadtplan auf: www.olsztyn.com.pl/plan-miasta
Zugfahrpläne auf: rozklad-pkp.pl/?q=de/node/144