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Erinnerungsorte an den Zweiten Weltkrieg in Deutschland und in Polen

Herzlich wilkommen auf der Webseite „Erinnerungsorte an den Zweiten Weltkrieg“
des Deutsch-Polnischen Jugendwerkes (DPJW).

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Berlin – Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma

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Geschichte

Die Vernichtung der Sinti und Roma durch das Dritte Reich wird in Romanes als Porajmos (dt. Verschlingen) bezeichnet. In den Jahren 1933 bis 1945 waren Sinti und Roma Opfer der Verfolgungen Nazideutschlands. Nicht einmal die ungefähre Zahl der Opfer ist bekannt, denn die meisten von ihnen besaßen weder eine Staatsangehörigkeit noch Papiere. Man schätzt jedoch, dass rund 500.000 Sinti und Roma ums Leben kamen, einige Berechnungen sprechen gar von 2 Millionen Opfern. Sie starben in den Vernichtungslagern in den besetzten europäischen Ländern oder an Hunger und Krankheiten in Arbeits- und Konzentrationslagern. Tausende Sinti und Roma wurden deportiert und mussten Zwangsarbeit in der Landwirtschaft, auf dem Bau und in der Industrie leisten.

Der nationalsozialistischen, auf Vorurteile gestützten Propaganda zufolge, waren „Zigeuner” asozial und passten nicht in die „normale” Gesellschaft. Und damit nicht genug: vom rassistischen Standpunkt aus, galten sie als Untermenschen, und ihre Existenz gefährdete die Reinheit der arischen Rasse. Die Nationalsozialisten betonten die außereuropäische Herkunft der Sinti und Roma. Aus Indien stammend, sind sie jedoch direkte Nachfahren der Arier. Arischer also als die Deutschen, stellten sie ein Problem für die nationalsozialistische Ideologie dar.

Seit Beginn der 1930er Jahre wurden deutsche Roma und Sinti zwangssterilisiert, waren verpflichtet, sich registrieren und nach rassischen Gesichtspunkten untersuchen zu lassen. Ihre Freizügigkeit wurde eingeschränkt. 1935 wurden Ehen von Roma und Sinti mit Deutschen verboten. Auch wurde ihnen das Wahlrecht entzogen. Als im besetzten Polen die ersten Lager entstanden, begann die massenhafte Deportation der Sinti und Roma aus Deutschland. Im Januar 1942 wurden rund 5.000 Menschen im Vernichtungslager Kulmhof in Chełmno am Ner vergast. Im Dezember desselben Jahres befahl Heinrich Himmler die Deportation aller „Zigeuner” ins Vernichtungslager Auchwitz-Birkenau. Sie gelangten ins sogenannte „Zigeunerlager”, das 17 Monate bestand.

Die meisten polnischen Roma wurden in die Konzentrationslager deportiert und kamen dort ums Leben. 1943 befanden sich rund 23.000 Roma und Sinti in Auschwitz-Birkenau. Auf dem linken Unterarm wurde ihnen eine Nummer mit dem Buchstaben Z (für Zigeuner) tätowiert. Anders als bei den Juden wurden die Familien nicht getrennt, sondern gemeinsam in den Baracken untergebracht. Die Lebensumstände waren schrecklich und verschlechterten sich zusehends, oft fehlte es an Wasser und Essen. Die Sterblichkeit war enorm, es kam zu Epidemien. Die Menschen starben an Hunger und Krankheiten.

Von Mai 1943 bis August 1944 war Josef Mengele leitender Arzt im „Zigeunerlager”, der seine antropologischen Forschungen vor allem an Roma und Sinti sowie an Zwillingen durchführte. Im Sommer 1943 lösten die Deutschen das „Zigeunerlager” auf und brachten in den Gaskammern 20.000 Menschen um.

Nach Auschwitz wurden auch Sinti und Roma aus dem „Reichsprotektorat Böhmen und Mähren”, aus Kroatien, Ungarn, Österreich, aber auch aus Frankreich, Holland, Belgien, der Sowjetunion und Litauen gebracht. In Rumänien dagegen internierte man 25.000 Roma in einem Konzentrationslager in Transnistrien, wo 11.000 von ihnen ermordet wurden. Sinti und Roma wurden in den besetzten Gebieten Osteuropas von den Nationalsozialisten ähnlich wie die Juden behandelt. Wurden sie aufgegriffen, erschoss man sie. Oft wurden sie zusammen mit den Juden in Massengräbern verscharrt.

Róża Kochanowska

Erinnerung

Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb die Vernichtung der Sinti und Roma lange Jahre unerforscht und wurde praktisch vergessen. Teilweise gilt das bis heute – die Ermordung der Sinti und Roma steht im Schatten des Holocaust an den Juden. Die Familien der Opfer erhielten bislang keine Entschädigung von deutscher Seite.  In Europa entstanden sehr wenige Denkmäler, die an die ermordeten Sinti und Roma erinnern.

Auf dem Gelände des Museums Auschwitz-Birkenau befindet sich in Block 13 eine Ausstellung, die an die Vernichtung der Sinti und Roma erinnert. Im ehemaligen Lagerteil Birkenau wurde im Bereich B II, wo sich das „Zigeunerlager” befand, ein Denkmal für die Sinti und Roma errichtet, die im Zweiten Weltkrieg ums Leben kamen.

In Berlin entstand 2012 in der Nähe des Reichtagsgebäudes ein Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma.

Der Künstler Dani Karavan bemühte sich hier durch die Schlichtheit seines Entwurfs und die architektonische Anordnung des Denkmals der Tragödie der Sinti und Roma Ausdruck zu verleihen.

Der Erinnerungsort ist von Glaselementen begrenzt, auf denen die wichtigsten Daten der Verbrechen gegen Sinti und Roma verzeichnet sind. Auf der gegenüberliegenden Seite sind Zitate von Altbundeskanzler Helmut Schmidt und Altbundespräsident Roman Herzog über den Völkermord an den Sinti und Roma zu lesen. Der Weg zum Denkmal führt durch ein einfaches Metalltor.

Das Denkmal besteht aus einem schwarzen, flachen Becken mit glatter Wasseroberfläche („Brunnen der Erinnerung“). In der Mitte befindet sich ein steinernes Dreieck, das sich jeden Tag mittags in das Becken absenkt und kurze Zeit später wieder auftaucht. Immer liegt eine frische Blume – als Symbol des Lebens – auf dem Stein. Auf der Umrahmung des Denkmals ist das Gedicht „Auschwitz“ des zeitgenössischen italienischen Dichters und Komponisten Santino Spinelli auf Deutsch und Englisch zu lesen:

Eingefallenes Gesicht

erloschene Augen

kalte Lippen

Stille

ein zerrissenes Herz

ohne Atem

ohne Worte

keine Tränen.

 

Pallid face,

dead eyes,

cold lips. 

Silence. 

A broken heart

without breath,

without words,

no tears.

Um das Becken herum sind Steine mit den Namen der Konzentrations- und Vernichtungslager in den Boden eingelassen, in denen Sinti und Roma starben.

Im Hintergrund spielt, zuweilen kaum hörbar, Geigenmusik, eine Komposition des Jazzmusikers und Sinti Romeo Franz.

 Róża Kochanowska

Sonstige Informationen

Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma

Simsonweg / Scheidemannstraße 10117 Berlin-Tiergarten (zwischen Brandenburger Tor und Reichstagsgebäude)

http://www.stiftung-denkmal.de/de/denkmaeler/denkmal-fuer-die-ermordeten-sinti-und-roma.html